06. Juni 2025 | Menschen
Neugier, Lernen und Disketten: Stephan Kessler über seine 30 Jahre im VBV

06. Juni 2025 | Menschen
«Tempora mutantur nos et mutamur in illis» – die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. Dieses berühmte lateinische Sprichwort passt perfekt zu Stephan Kessler, der seit dem 1. Januar 1993 beim VBV tätig ist und über drei Jahrzehnte hinweg verschiedene Rollen und Herausforderungen gemeistert hat. Am 31. Oktober 2025 endet seine lange Reise beim VBV.
Zuletzt hat er als Learning Architect den Wandel vom gedruckten Lehrbuch hin zum digitalen Lernpfad begleitet – eine Entwicklung, die sinnbildlich für seine Fähigkeit zur Anpassung steht. In unserem Interview sprechen wir mit ihm über seinen Werdegang, Veränderung und die Zukunft des Lernens.
Stephan, du hast über 30 Jahre im VBV verbracht. Welche Stationen haben dich besonders geprägt?
Manchmal bin ich selbst erstaunt, wie lange ich beim VBV gearbeitet habe. Aber das hat seine Gründe. Ausschlaggebend war der Umstand, dass ich viele spannende, auch zukunftsweisende Projekte leiten durfte. Ich startete 1993 als Projektleiter. Die Konzeption der Vermittlerqualifikation war mein erstes grosses Projekt. Nach der Zweiteilung des Berufsbildungssystems in Fachausweis und Diplom galt es auf der höheren Stufe Diplom einen zweijährigen Lehrgang auf die Beine zu stellen. Spannend waren für mich die verschiedenen Lehrmittelprojekte, das nachhaltigste darunter das Lehrlingslehrmittel insurance@work, welches in diesem Jahr nach über 20 Jahren vom digitalen Lernpfad myVBV abgelöst bzw. darin integriert wird.
1998 übernahm ich die Leitung des Bereichs Vermittler inklusive Prüfungsleitung, die ich dann 18 Jahre lang innehatte. Im Jahr 2000 wurde ich als stellvertretender Geschäftsführer in die Geschäftsleitung aufgenommen und durfte in dieser Funktion vieles mitgestalten.
Prägend in meiner beruflichen Laufbahn beim VBV war, dass ich in einem kleinen, persönlichen Umfeld, in vertrauensvoller Umgebung, mit grosser Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit arbeiten konnte, unterstützt von vielen Fachleuten und Expertinnen aus zahlreichen Versicherungs- und Brokerfirmen. Die Zusammenarbeit im Milizsystem ermöglichte praxisnahe und realistische Resultate, die vergleichsweise eine lange Zeit Bestand hatten.
Du hast den Übergang von gedruckten Büchern zum digitalen Lernpfad begleitet. Wie hat sich das Lernen in der Versicherungsbranche verändert?
Du erwähnst den Übergang von gedruckten Büchern zum digitalen Lernpfad. Den zweiten Teil deiner Frage finde ich wichtiger. Lehren und Lernen haben sich im Zug der Digitalisierung verändert. Ich habe meine berufliche Laufbahn ohne Internet gestartet. Die Diskette war der damalige Datenträger. Beim Computer Based Training (CBT) waren für die Installation der drei Sprachversionen 12 Disketten nötig. Heute beherrschen Clouds und Plattformen die Arbeits- und Lernwelt. Digitale Plattformen ermöglichen flexibleres und selbstgesteuertes Lernen. Individuelle Lernpfade und personalisierte Lerninhalte werden den Bedürfnissen und Zielen der Lernenden eher gerecht. Lernen findet jederzeit und überall statt. E-Learning etabliert sich als tragende Säule bei den Lernformen, und der klassische Präsenzunterricht verliert an Bedeutung. Ausbildner entwickeln sich vom Trainer zum Coach und Lernbegleiter. Neben dem Fachwissen gewinnen Handlungskompetenzen und Softskills an Bedeutung.
Du hast im VBV viele verschiedene Rollen übernommen und grosse Veränderungen begleitet. Wie hat sich deine eigene Fähigkeit zur Anpassung über die Jahre hinweg entwickelt?
Veränderungen gehören zum Fluss des Lebens. Bereits der vorsokratische Philosoph Heraklit fasste es im Altgriechischen als «panta rhei» (πάντα ῥεῖ, «alles fliesst») zusammen. Wir können uns Veränderungen nicht völlig entziehen. Sie bringen Umbruch, sie eröffnen aber auch neue Möglichkeiten und Perspektiven. In der Versicherung sprechen wir von Chancen und Risiken. Ich weiss nicht, ob es bei mir eine spezielle Fähigkeit zur Anpassung ist. Ich sehe es vielmehr als eine positive Grundhaltung dem Neuen gegenüber, ein Sich-Einlassen auf neue Situationen. Dazu gehört eine gute Portion Neugier und der Wille, auch unter geänderten Umständen einen guten Job zu machen. In meinem Elternhaus habe ich gelernt, dass es manchmal einfach so ist, wie es ist, und wir nicht alles in unserem Sinn ändern können. Oft ist es richtig und wichtig, sich auf das Unabänderliche einzulassen und das Beste daraus zu machen. Dazu haben wir unsere Talente – und unsere Erfahrungen helfen uns dabei.
Gab es in deiner Laufbahn Veränderungen, die für dich besonders herausfordernd waren?
Es gab Momente im VBV, in denen nicht klar war, wohin die Reise gehen sollte, in denen die strategischen Überlegungen in zu kurzen Abständen geändert wurden. Herausfordernd, aber gleichzeitig auch die spannendsten Projekte, waren jene, bei denen wir ohne einschränkende Vorbedingungen von Grund auf Neues entwickeln und der Branche zur Verfügung stellen konnten.
Wie siehst du die Zukunft der Weiterbildung im Versicherungswesen?
Die Zukunft der Weiterbildung im Versicherungswesen wird von mehreren Trends geprägt. Technologische Innovationen wie künstliche Intelligenz erfordern neue Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Bedürfnisse der Kunden werden immer individueller. Menschen arbeiten vermehrt in agilen Teams und vernetzten Strukturen.
Lebenslanges Lernen ist ein weiteres Stichwort, wonach Fähigkeiten und Kompetenzen kontinuierlich zu erweitern sind. Soft Skills spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle: Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und Problemlösungskompetenzen sind ebenso wichtig wie fachliche Qualifikation.
Weiterbildung hat diesen Trends Rechnung zu tragen. Stetige Weiterbildung ist entscheidend, um mit den sich schnell ändernden Anforderungen Schritt zu halten.
Was wirst du am meisten vermissen, und worauf freust du dich am meisten nach dem VBV?
In meinem Arbeitsumfeld habe ich über die Jahre unzählige grossartige Persönlichkeiten getroffen und mit ihnen zusammenarbeiten dürfen. Dies bedeutet für mich eine grosse Bereicherung, einen wertvollen Schatz, und brachte mich in verschiedenster Hinsicht weiter. Dafür bin ich sehr dankbar.
Nach meinem Arbeitsleben im VBV freue ich mich erst einmal darauf, Zeit zu haben für die Aktivitäten, die in den letzten Jahren zu kurz kamen. Dazu gehört z.B. das Fotografieren oder die Lektüre der Bücher, die noch ungelesen in meinem Büchergestell stehen. Wie ich mich kenne, ist es damit aber nicht getan. Vielfältige Interessen, die Lust auf Neues und das Bedürfnis nach aktivem Tun werden schon bald neue Kapitel in meinem Leben aufschlagen.